Wie viele Beziehungen in der heutigen Zeit begann auch Svarturs und meine über das Internet ;-). Als ich ihn im Februar 2014 das erste Mal sah, stand ein nervöses, angespanntes Pony am Anbindeplatz des Händlerstalls, das offensichtlich mit menschlichen Berührungen wenig oder keine guten Erfahrungen gemacht hatte.
Trotzdem ließ er bei diesem Besuch alles brav über sich ergehen, das Putzen, das Satteln und das Probereiten. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, aber ich kaufte ihn. Sein neues Zuhause ist seitdem der Pappelhof an der Ostsee, ein Zuhause speziell für Islandpferde. Die Herde bestand nun aus acht Pferden und Svartur hatte große Probleme sich einzuleben. Oft versuchte er die Flucht vom Paddock mitten durch den Zaun, sobald ein anderes Pferd ihm etwas lebhafter zu nahe kam, manchmal, so schien es, auch einfach nur so. Jegliche Form von Druck oder schnellen Bewegungen versetzten ihn in Stress und veranlassten ihn, die Flucht zu ergreifen. Eine Abschwitzdecke auf seinen Rücken legen oder seinen Kopf putzen, war anfangs nur schwer möglich. Das Reiten tolerierte er, aber es war kaum eine schöne Zirkelrunde reitbar. Immer wieder brach er über die äußere Schulter aus, manchmal stieg er. An Gängen zeigte er Schritt und Trab unter dem Reiter und Galopp im Freilauf.
Nach drei Monaten wollte ich mich von ihm trennen – ich fand einfach keinen Zugang zu ihm. Mir war jedoch auch klar, dass ich ihn so nicht verkauft bekäme. Zurückgeben an den Händler wollte ich ihn aber auch nicht. So recherchierte ich zum einen nach seinem dänischen Herkunftsgestüt, um vielleicht mit ehemaligen Besitzern Kontakt aufzunehmen, zum anderen suchte ich nach alternativen Umgangsweisen mit traumatisierten Pferden. „Horsemanship“, wie ich es bis dato kannte, also nach Monty Roberts oder Pat Parelli kam nicht in Frage. Auf eine Kreisbahn von mir weg geschickt, geriet er in Panik und raste so lange im Kreis, bis nichts mehr ging oder er durch den Zaun floh.
Über seinen dänischen Züchter fand ich wirklich Schreckliches heraus. Er war bereits in den dänischen Medien gewesen, weil auf seinem Hof abartige, tierquälerische Dinge geschehen sind. Parallel konnte ich Kontakt zu der Besitzerin von Svarturs Mutter aufnehmen. Sie bestätigte mir meine Recherche und sagte mir, dass die Zustände bis heute so auf dem Hof wären. Sie hatte Svarturs Mutter tragend mit ihm von diesem Gestüt erworben und musste ihn nach dem Absetzen dorthin zurückgeben. Wie lange er dort war, weiß ich nicht. Vielleicht sogar bis er durch den Händler nach Deutschland kam.. Ich berichtete diese schockierende Geschichte auf dem Pappelhof und mir wurde sofort zugesagt, dass er zur Eingewöhnung alle Zeit der Welt bekommen sollte und wenn auch noch so viele Zäune repariert werden müssten.
Wir nahmen nun regelmäßig Reitunterricht, ich begann mit Klickertraining und auf dem Paddock wurde einiges umgebaut, sodass Svartur bessere Flucht- und Rückzugsmöglichkeiten vor den anderen Pferden hatte. Es wurde langsam besser. Die Bodenarbeit wurde unsere Lieblingsdisziplin, die Weidesaison begann und endete wieder und Svartur fügte sich mehr und mehr ein.
Über andere Einstellerinnen im Stall erfuhr ich von der Arbeit von Anica und konnte auch bei einem Behandlungstermin zuschauen. Ich war von Anfang an so gefesselt und fasziniert von dieser Kommunikations- und Diagnoseform, die eben nicht nur körperliche Beschwerden auftut, sondern auch die tiefen, seelischen Wunden finden kann! Ich vereinbarte einen Termin mit Anica. Im Januar 2015 besuchte sie Svartur das erste Mal. Es regnete und stürmte und wir trafen uns im Stall und Svartur lief frei und knabberte am Heuballen. Vorab untersuchte Anica ihn physiotherapeutisch und befragte mich ausführlich zu ihm, seinen jetzigen Haltungsbedingungen, Impfterminen und bisherigen Krankheiten. Anica stellte fest, dass die rechte Körperseite deutlich fester war, als die linke. Das passte zu den Erfahrungen, die ich bei der Arbeit mit ihm gemacht hatte.
Nachdem Svartur gefragt wurde, ob er mit einer kinesiologischen Befragung einverstanden wäre, dies bejahte, zeigte mir Anica an mir selbst, wie die Befragung funktioniert. Ich sollte meinen Arm austrecken und halten. In die andere Hand bekam ich eine Karte mit einem Bild von einem lächelnden Smiley und sah diesen an. Anica drückte auf meinen ausgestreckten Arm und sagte, ich solle gegenhalten. Es gelang mir ohne größere Anstrengungen. Auf der anderen Seite der Karte war ein weinender „Smiley“ (ist ja denn gar keiner mehr ;-)) abgebildet. Wieder sollte ich dem Druck auf meinen ausgestreckten Arm standhalten, und obwohl ich mich wirklich anstrengte, schaffte ich es nicht. Mein Unterbewusstsein war beeinflusst. Muss man erlebt haben, echt unglaublich!
Mein Pferd stellte sich als sehr mitteilungsbedürftig heraus. Einige Dinge sind mir aus dieser ersten Behandlung noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Ich habe ein sehr klares, intelligentes Pferd, mit Führungspotential. Aber auch ein Pferd mit Vergangenheit, seine rechte Seite ist seine Schwachstelle. Anica erklärte, er wäre rechts wie blind, keine körperliche Blindheit, eher eine emotionale (dies war mir auch schon aufgefallen, ein dazu befragter Tierarzt versicherte mir nach einer Untersuchung, dass keine körperliche Beeinträchtigung vorlag).
Während sie das sagte, hörte Svartur auf zu fressen und schaute mich an, ganz direkt in meine Augen und mir fiel in diesem Moment die Geschichte zu seiner Herkunft ein. Und ich sagte Anica, dass mir gerade noch etwas wirklich Wichtiges zu Svartur eingefallen wäre, und ich gar nicht weiß, wie ich vorhin vergessen konnte, es ihr zu berichten. Und während mich mein Pferd anstarrte (ich kann es gar nicht anders sagen…), erzählte ich ihr von den tierquälerischen Geschichten, die sich auf seinem Heimatgestüt zugetragen haben. Und auch, wenn ich weiß, dass es schon sehr „spooky“ klingt, so war es, als hätte mich mein Pony daran erinnert, Anica diese Geschichte noch zu berichten… ich kann es nicht anders oder besser erklären. Wir vermuteten, dass er mit seiner rechten Seiten -seinem rechten Auge, dem rechten Ohr- etwas Schlimmes wahrnehmen musste und vielleicht beschlossen hat, das ihm das nie wieder passieren würde und die Wahrnehmung sozusagen ausgeschaltet hat.
Anica fragte Svartur zu dieser Berichterstattung, ob es so richtig gewesen ist, was ich erzählt habe, ob es noch etwas dazu zu sagen gäbe. Er verneinte alles und brach die Behandlung ab. Er ging. Und zwar sehr energisch, man merkte, dass er nun einfach weg wollte und wir entließen ihn.
Eine Woche lang war es komisch zwischen Svartur und mir. Als ob ein Tabuthema angesprochen wurde, und wir nun erst einmal schauen mussten, wie wir nun wieder miteinander umgehen würden, wie der jeweils andere damit so klar kommt. Unsere „Hausaufgabe“ war, die rechte Seite positiv zu belegen. Rechts kraulen, von rechts füttern, rechts führen…
Sehr schnell nach der ersten Behandlung waren positive Veränderungen zu erkennen. In der Herde hatte sich Svartur mit dem Junior-Chef angefreundet und sich das erste Mal gegen ein anderes Pferd verteidigt, anstatt die Flucht zu ergreifen. Auch in der gemeinsamen Arbeit hat sich einiges getan. Er hat innerhalb kürzester Zeit ein deutlich besseres Körpergefühl entwickelt, ich hatte das Gefühl, die Koordination von vorne und hinten fing an zu funktionieren. Wir konnten bei der Bodenarbeit erstmals über die Anfänge zum Travers nachdenken ;-).
Wie wir bei der ersten Behandlung abgemacht hatten, lieferte ich Anica nach einiger Zeit einen kleinen Bericht über Svarturs Befinden. Anicas Besuch wirkte wie ein Beschleuniger für Svarturs positive Entwicklung. In allen Bereichen konnte ich nur Positives berichten. Lediglich eine Baustelle, die wir jedoch auch bei der ersten Behandlung nicht mehr thematisieren konnten, da der Ponymann die Behandlung ja für beendet erklärt hatte, war unverändert, sein Kotwasser- Problem. Anica befragte ihn aus der Ferne hierzu und er wünschte sich ein Ergänzungsfutter und auch einen weiteren Besuchstermin mit Anica. Das war auch mein Wunsch. Ich wollte auf jeden Fall, dass mir die positive Entwicklung sozusagen nochmal bestätigt wurde und ggf. Auch noch vorhandene Blockaden beseitigt werden könnten.
Auch nach dieser kurzen Fernbefragung zeigte er wieder deutliche Fortschritte. Er überraschte mich zum Beispiel mit einer Übung, die er sich selbst ausgedacht hatte. Er berührte mit seiner Nase seinen linken Hinterhuf. Der Knaller! (Habe es natürlich gleich positiv bestärkt – Klicker sei dank- und nun kann er es auf Kommando). Andere Seite klappte damals noch nicht. Anica und ich verabredeten einen weiteren Termin im April. Kurz vor diesem Termin war der Schmied bei uns auf dem Hof. Während des Beschlagens hinten rechts zeigte Svartur heftige Abwehrreaktionen, alle anderen Hufe ließ er sich brav bearbeiten – wieder Mal die rechte Seite-.
Bei Anicas Besuch erzählte ich ihr davon. Insgesamt freute sie sich über seinen Gesamteindruck. Ihr fiel auf, dass sein Blick viel wacher, seine Augen viel größer waren. Er hatte auf der rechten Seite eine energetische Blockade und wünschte sich die Ausleitung über die linke Seite. Insgesamt fühlte sich die rechte Seite mittlerweile genauso an, wie die linke, stellte Anica fest. Auch von der „psychischen Blindheit“ war nichts mehr zu spüren. Wir schauten uns noch einmal den Sattel an, auch hier gab es nichts zu beanstanden (weder von Svarturs noch von Anicas Seite).
Und was soll ich sagen!? Nach Anicas Besuch klappte die erfundene Pony-Pilates Übung auch auf der rechten Seite!!! Auch das Kotwasser verschwand mit der Zeit. Der Darm enthält einen emotionalen Bereich, erklärte mir Anica, und wir sind davon ausgegangen, dass das Kotwasser mit seiner Vergangenheit zusammenhing. Je fitter er mental wurde, umso weniger wurde das Kotwasser. Jetzt im August hat Svartur eine kleine Mauke entwickelt. Über Anica konnte ich von Svartur erfahren, welche Kräuter er sich für die innere Behandlung wünscht – es kann so einfach sein!
Abschließend möchte ich sagen, dass es vieler Faktoren bedarf, ein krankes Pferd -egal ob physisch oder psychisch- zu heilen. Wir stehen in einem tollen Stall, dem Pappelhof www.islandpferde-vom-pappelhof.de, in dem in höchstem Maße auf das Wohlergehen der Pferde geachtet wird. Ich habe meine eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse im Umgang mit meinem Pferd mehr als einmal überdenken müssen, musste neue Wege finden, um einen Weg mit ihm zu finden. Unser Weg führte uns weg von Dominanz und Unterordnung, hin zu Gleichberechtigung und Partnerschaft.
Und ohne Anica, ihre ruhige und positive Art und ihr Gespür dafür, wo es „drücken“ könnte, wären wir heute noch lange nicht da, wo wir sind: Uns so zugewandt! Ich werde sie in Zukunft sicher noch bei vielen Entscheidungen, sei es den Sattel betreffend oder die Trainingsform oder seine Futterwünsche, um Hilfe bitten. Im Umgang mit meinem Pferd ist es für mich eine große Erleichterung und auch Bereicherung, mein Pferd einfach durch Anica „fragen“ zu können: „Hey, was möchtest DU denn? Was würde Dir denn gut tun? Wie würdest Du für Dich entscheiden?“
Liebe Anica, vielen Dank! Svartur & Katja
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